Hochzeit auf Rumänisch

Letztes Wochenende sind wir mal eben 3.000 Kilometer durch Europa gejettet um einer Hochzeit beizuwohnen. Zuerst ging es mit dem Zug nach München und dann weiter nach Timisoara im Nordosten Rumäniens.
Die mit über 400.000 Einwohnern drittgrößte Stadt des Landes liegt in der deutsch geprägten Region Banat. Noch vor zwanzig Jahren trug waren neun von zehn Einwohnern der umliegenden Dörfer deutscher Herkunft. Man sprach auch hauptsächlich Deutsch und lernte Rumänisch in der deutschen Schule als Fremdsprache. Nach dem Zusammenbruch des sozialistischen Regimes Anfang der Neunziger wurde der Weg frei nach Deutschland zurück zu kehren und die Banater Schwaben nutzten diese Gelegenheit.
Heute lebt nur noch eine kleine, vergreiste Minderheit von Deutschen in der Region.

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Die wunderschöne Einladung zur Hochzeit erreichte und per Brief im kalten Deutschland und da meine bessere Hälfte günstige Flugtickets fand und auch sonst alles organisierte sagten wir zu. Der erste Schock war sicherlich das Klima. Wir sind bei 14 °C in den Flieger und bei der Landung waren dann 32°C absolut trockener Hitze. Es ist in der Region in den letzten Wochen so wenig Regen gefallen, dass die Bauern den Mais einfach auf den Felder vertrocknen lassen mussten - die Erntekosten übersteigen den Ertrag.
Der Bräutigam hatte am Tag vor seiner Hochzeit Fahrdienst. Er holte uns am Flieger ab und brachte uns zur Wohnung des glücklichen - naja... gestressten Paares. Nach etwa 30 Minuten musste er schon wieder los und die nächste Fuhre von Gästen abholen. Wir wurden in der Zwischenzeit von der Braut und ihrer Mutter verköstigt, wobei es wohl ne Menge Entschuldigungen gab, dass die Braut keine Zeit fand uns etwas Richtiges zu kochen.
Die hatte aber auch alle Hände voll zu tun. Mit ungelogen drei Handies wurde da telefoniert und organisiert. Neben Absagen der lieben Verwandtschaft (häufig wegen der Finanzkrise) mussten noch Details mit dem Restaurant geklärt und die eine oder andere Programmänderung vermittelt werden.
Während meine Beste mit ihren Rumänischkenntnissen interessante Unterhaltungen führen konnte schaute ich meist möglichst interessiert und intelligent an die Wände. Naja... nicht ganz so schlimm - ich habe versucht den Gesprächen zu folgen, was dank umfangreicher Mimik und Gestik sogar manchmal dazu führte, dass ich glaubte einen Satz zu verstehen - alle paar Sätze schaffte es meine Gute sogar, den beidseitigen Redeschwall zu unterbrechen und mir ein paar Worte ins Deutsche zu übertragen.

Da in Rumänien Gastfreundschaft zu den wichtigsten Tugenden gehört wurde dann für mich auch noch Unterhaltung organisiert - der Bruder der Braut lebt mit in der Wohnung und ist... Computerspieler. Das war für mich natürlich die richtige Unterhaltung. Und da der junge Mann auch noch passables Englisch spricht konnte ich mich mit ihm auch noch verständigen. Sein Quad-Core Bolide unterm Schreibtisch machte mich dann auch gleich mal neidisch - seit dem überlege ich, auf was ich verzichten könnte um mir auch nen neuen Rechner kaufen zu können.
Ich erfuhr, dass es in der Stadt üblich ist mindestens ne 2-MBit-Leitung zu haben. Irgendwo habe ich später auch eine Werbetafel von Romtel gesehen - DSL Flatrate bei 20 MBit für 14 Euro.

Als der Bräutigam mit weiterer Verwandschaft zurück kam wurde es so langsam voll in der Bude und es gab ein neues Problem - die für das Aufblasen der Luftballons gedachte Ballpumpe funktionierte nicht wie gewünscht - die Plastelappen füllten sich keinen Kubikmillimeter. Tja... da konnte ich endlich meine wahren Stärken ausspielen und all die Luftbewegungen, die ich gern in Worte umgewandelt hätte einfach mal in die Ballons pumpen. Da dann zehn Personen beim Füllen und Binden der Ballons beteiligt waren, ging das Ganze auch flott von der Lippe und nach kurzer Zeit hatten wir so ungefähr Hundert kleine Ballons für die Deko im Restaurant gefüllt.
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Wir waren gegen sechs am Nachmittag gelandet und die Uhr bewegte sich (der deutschen Zeit eine Stunde voraus) fleißig auf zehn Uhr zu, als wir aufbrachen um unser Hotelzimmer zu beziehen. Wieder durfte Florin, der Bräutigam, Fahrer spielen und uns bis an die Rezeption begleiten.
Was soll ich sagen? Das Zimmer war toll. Ein Zwei-Zimmer-Apartment mit extra-großer Badewanne und zwei Fernsehern. Toll, toll, toll. Und das auch noch mitten in der Stadt direkt neben Oper und Einkaufsmeile.

So richtig super-lang ausschlafen konnte wir dann aber nicht, da wir morgens noch einen Besuch bei Verwandten planten, die nicht auf der Hochzeit sein würden. Darum gelang mir auch dieses Foto vom Sonnenaufgang in Timisoara.
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Den ersten Teil der Hochzeit verpassten wir - er besteht aus dem Ankleiden des Brautpaares durch die Verwandtschaft. EIn Programmpunkt den auch die Braut erst kurz vorher erfuhr. Zum zweiten Teil der Veranstaltung waren wir dann überpünktlich in der Julius Mall - einem riesigen Einkaufszentrum nach amerikanischem Vorbild mit über 2.000 Läden, einem Foodcourt in der obersten Etage, einem kleinen Freibad, einem Kino und... dem Casa Casatorille (oder so ähnlich) - für alle die kein Rumänisch können und jene die Rumänisch können, aber meine Nachahmung nicht entziffern können - das "Haus der Hochzeiten".
Das ist so ne Art Fabrik für Brautpaare. Da hängt eine Liste aus, welches Paar wann eintreten darf. Die Taktung ist fünf bis fünfzehn Minuten. Da wir zu früh dran waren, konnten wir Brautpaar 43 an dem Tag noch zuschauen. Die Ehe-Fabrik funktioniert ungefähr so: man fährt mit möglichst vielen Gästen auf den riesigen Parkplatz und erkämpft sich einen Platz ziemlich nahe am Eingang - im Idealfall fährt sowieso gerade ein fertiges Paar ab. Anschließend läuft die ganze Gesellschaft über die Außentreppe im strahlenden Sonnenschein bei weiterhin 32°C in den dritten Stock und wartet vor dem Eingang zur Ehefabrik als lustig-lauter Pulk. Man sollte sich übrigens das Aussehen der Brautpaars gut einprägen, damit man nicht zur falschen Hochzeit geht. (Experten-Tipp: die Brautkleider sind ein ziemlich guter Anhaltspunkt)
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Wenn die eigene Nummer endlich dran ist - unser Paar war die 47 für heute - bewegt man sich im Pulk durch die Eingangstür und bekommt von Verwanndten des Paars einzelne Blummen oder auch einen Stauß in die Hand gedrückt. Anschließend muss man gut aufpassen, dass man die Trauung nicht verpasst - während nämlich jeder im Saal seinen Platz sucht (erfolglos, weil keine Stühle zum Verweilen einladen) rattert die Beamte schon ihren Text herunter. Wir erinnern uns - euer FabGuy kann kein Rumänisch - trotzdem habe ich verstanden, dass es um die Bedeutung der Familie geht. Am Ende dürfen zwei der Anwesenden - gern das Brautpaar - die Eheurkunde unterzeichnen und ist damit vor dem Gesetz eine Einheit.
Das ist der Moment um ein Foto zu machen. Da ich den Spannungsbogen aus sprachlichen Gründen nicht verfolgen konnte, hab ich das leider verpasst.
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Tja... und nach drei Minuten ist das offizielle Teil nun vorbei. Man stellt sich jetzt mal im Spalier vor die Ausgangstür (das ist ne andere Tür, damit das nächste Paar mit Pulk in die Fabrik kann), lässt das Brautpaar unter den hoch erhobenen Blumen durchschreiten und singt ein Lied. Wieder Rumänisch, damit der Fab nicht so richtig mitmachen kann.

Ich denke man darf an dieser Stelle einen Verbesserungsvorschlag machen: mit einem breiteren Tor an Ein- und Ausgang, sowie einem Förderband könnte man die Effizienz der Fabrik noch erhöhen. So ne Trauung muss auch in unter einer Minute zu schaffen sein! Trotz dieser offenen Optimierungsmöglichkeit habe ich mir erzählen lassen, dass an den letzten beiden Samstagen ein Rekord mit je 88 Hochzeiten aufgestellt wurde.

Nach einer Runde Glückwünsche und Fotos für jeden mit dem Brautpaar ging es dann in Kolonne (wie bei uns mit gelegentlichem Hupen und häufigem Fluchen der anderen Verkehrsteilnehmer - ich musste übrigens einen der Hauptbeteiligten der späteren kirchlichen Trauung behüten) in den Botanischen Garten, wo mir aufging, dass diese Ehefabrik auch noch Außenstellen hat. Hier war auch alles voll mit Ehepaaren, die hübsche Bilder vor wunderbar grünem und blumigem Hintergrund wollen.
Dieses Mal war das Erlebnis etwas getrübt durch die Scharen von bettelnden Zigeunern. Die wurden dabei nicht so sonderlich gut behandelt und ziemlich fahrig weg geschickt. Die Roma und Sinti sind in Rumänien nicht sonderlich beliebt. Die Wenigen, die es zu Reichtum bringen protzen aus kulturellen Gründen damit und bekommen ihren Erfolg mit Neid belohnt. Die Anderen eher armen Schlucker werden misstrauisch beäugt und bei jeder Straftat verdächtigt.

Wie erwähnt wurden hier wieder Bilder gemacht, auch wieder von Allen mit dem Brautpaar. Und damit das Ganze nicht langweilig wird, sorgte die Familie mit eigenem Wein und selbst gebackenem Kuchen für das leibliche Wohl der Gäste. Die Plauschten fleißig oder gingen noch schnell Schuhe kaufen, weil die Füße schon bedient waren.

Nach einer oder zwei Stunden ging es dann durch den dichten Verkehr weiter zur nächsten Außenstelle der Ehefabrik - der Kathedrale von Timisoara. Dieses imposante Gebäude dominiert die Einkaufsmeile sowie die Silouette der Stadt. Auch dort steht man Schlange für ne Hochzeit. Da der Laden aber viel exklusiver ist, muss man sich hier ein Jahr vorher anmelden und es dauert auch länger als im staatlichen Teil der Maschinerie.
Eine übliche orthodoxe Hochzeit dauert wohl so anderthalb bis zwei Stunden. Da es in den Kirchen nur wenige Stühle gibt steht, fühlen sich die Beine und Füße übrigens an die Fabrik erinnert. Da es hier aber so viele Hochzeiten gibt, muss es etwas schneller gehen und nach nur dreißig Minuten ist die Sache vorbei. Zwischendurch durfte ich den wirklich guten Stimmen der Priester lauschen, die einen Teil der Trauung singend vollzogen. Außerdem durfte das Brautpaar kurz goldene Kronen tragen.
Und am Ende kam noch der für mich schwierige Teil - Gratulation mit klassisch-rumänischem Glückwunsch. "Case de piatre" - "Haus aus Stein" wünscht man den frisch Vermählten und meint damit nicht, dass es immer schön warm im Winter und kühl im Sommer sein soll, sondern bezieht sich auf die Festigkeit dieses neuen Bundes.
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Tja... und dann kam endlich der gesellige Teil des Abends, auf den auch schon einige der anderen Gäste sehnsüchtig warten.
Im Restaurant "Casa La Fayette" gab es sechs Gänge, kitschige Deko, kostenfreie Getränke, selbst gebrannten Cognag und ein Zeug, dass mir als selbst gemachter  Schnapps vorgestellt wurde, der übler als der Cognag sei.
Es war also weitgehend sicher gestellt, dass der Abend fröhlich wird.
Es war von hier an auch wirklich ne andere Stimmung. Während es vorher vordergründig feierlich zuging, wurde jetzt eher die Sau raus gelassen. Da wurde getanzt und gelacht, gefuttert und getrunken. Uns wurde ein typisch rumänischer Tanz beigebracht - so ne Art Zirtaki sag ich mal - der alle halbe Stunde Mal durch den Saal ging.

Während ich es bei uns gewohnt bin, dass alle Feiern mit diversen Spielen garniert werden um die Gäste bei Laune zu halten und den oder die geehrten auf die Schippe zu nehmen, kam dieser Aspekt etwas kurz. Das einzige derartige Highlight war die Brautentführung: ein Kumpel des Bräutigams packte die Braut ins Auto und wir durften mit. Neben dem Kumpel waren noch dabei: seine Freundin, wir zwei, ein älterer Bekannter als zweiter Fahrer und ein Pärchen, das wohl die besten Freunde des Brautpaars ist. Ach ja... und der bestellte Kameramann, der die Möglichkeit zu tollen Bildern der Entführung großflächig verschenkte.
Wir fuhren ein bisserl herum um dann in einer Karaoke-Bar einzukehren. So ne Braut im Schlepptau sorgt übrigens für etwas Aufmerksamkeit. Getrunken haben wir eine Cola und die recht hektisch, bevor wir auf die Bühne durften um einen rumänischen Klassiker zu trällern.
Ich kann euch sagen, dass Karaoke echt schwer ist, wenn man das Lied nicht kennt, die Sprache nicht beherscht und sie schon gar nicht vom Bildschirm ablesen kann. Etwas beruhigt hat mich der Umstand, dass es wohl auch mit Sprachkenntnissen nicht so ganz einfach ist - unsere kleine Entführerbande war ziemlich schlecht, bis ein Fremder einsprang um uns auf den richtigen Weg zu führen. Der Kerle, der da spontan als Rampensau auftrat ist im wirklichen Leben an der Oper als Sänger beschäftigt. Ohne Witz - wir haben beim Karaoke mit einem ziemlich bekannten Opernsänger auf der Bühne gestanden.
War auf jeden Fall total witzig. Anschließend gab es übrigens den Erpresser-Anruf beim Bräutigam mit der Drohunng, die Braut lediglich in Stücken zurück zu liefern, wenn er nicht gut zahlt.
Die Bezahlung bestand am Ende aus einer Flasche Jim Beam.

Der sechste Gang wurde übrigens so gegen drei oder halb vier Uhr morgens serviert und ich war zu dem Zeitpunkt schon ziemlich fertig. Und während man in Deutschland zumindest die Familien mit kleinen Kindern hätte gehen sehen, fiel das hier Keinem ein. Vor einem Stück Hochzeitstorte zu gehen wäre äußerst unhöflich gewesen und gleichzeitig ein Hinweis darauf, dass man der Ehe keinen Erfolg wünscht.

Diese Torte war dann aber auch wirklich einen Blick wert: vielstufig, weiß mit kleinen blauen Blüten - genau wir das Brautkleid. Dazu auch noch lecker und Extra-süß.
Das war dann auch der offizielle Abschluss der Feierlichkeiten - nach der Torte ist einfach Schluss. Man übergibt dem Paar beim Gehen noch einen Umschlag - in Rumänien schenkt man einfach Geld. Interessant ist vielleicht noch, dass fast Alle Euro in den grünen, namentlichen Umschlag packten - der rumänische Lei verliert zu schnell an Wert und die Miete wird sowieso in Euro bezahlt.

Unser Taxi holte uns dann gegen fünf-dreißig ab und wir durften noch ein paar Stunden schlafen, bevor wir aus dem Hotel mussten - das Frühstück haben wir uns zu Gunsten des Schlafes geschenkt.

Insgesamt war das ne ganz tolle Angelegenheit und ich bin sehr froh, dass wir es zeitlich und von den Tickets her einrichten konnten.

This article was updated on 19 September 2009